2010: Masterarbeit von Juliane Urban „Agenda Setting“
„Die Überlegung, daß [sic.] Massenmedien unsere Vorstellung von der Umwelt beeinflussen, steht im Zentrum vieler Ansätze der modernen Kommunikationswissenschaft“ (Eichhorn 2005: 1). So prüfen Studien zur Schweigespirale, ob die über Medien vermittelte Mehrheitsmeinung Personen mit Minderheitsmeinungen zum Verstummen bringt (vgl. Noelle-Neumann 1996). Untersuchungen zur Kultivierungshypothese setzen sich mit der Frage auseinander, inwieweit Menschen ihre soziale Realität auf Basis von Erfahrungen aus den Massenmedien rekonstruieren und anschließend aufgrund dieser Rekonstruktion handeln (vgl. Gerbner et al. 1994).
Eine etwas andere Art der medialen Wirkung untersucht der Agenda Setting-Ansatz. Im Ge-gensatz zu den oben genannten Konzepten setzt er sich nicht primär mit Verhaltens- oder Einstellungsänderungen auseinander (Eichhorn 2006: 9). Im Zentrum steht viel mehr die Frage, ob Massenmedien beeinflussen können, „welche politischen Probleme zu einem bestimmten Zeitpunkt als besonders strittig, drängend und lösungsbedürftig anzusehen sind“ (Schulz 1984: 98).
Die Bedeutsamkeit des Konzepts wird deutlich, wenn man sich die Folgen einer erfolgreichen Wichtigkeitsübertragung von den Medien zu den Rezipienten vor Augen führt. Massenmedien in ihrer Rolle als Vermittler zwischen Bürgern und politischem System (Palmgreen et al. 1974: 1; Donsbach 2004: 85ff) prägen durch ihre Themensetzung nicht nur Diskussionen innerhalb des Publikums, sondern unterrichten gleichzeitig die Politik über Probleme der Bevölkerung, derer es einer politischen Lösung bedarf. Diese Probleme zeichnen sich dadurch aus, dass ihnen von der Mehrzahl der Bürger eine hohe Relevanz zugeschrieben wird. Gelingt es den Medien so- mit die Wichtigkeitseinschätzung eines Themas beim Publikum zu beeinflussen, so können sie darüber potentiell auch Einfluss auf das Problembewusstsein der Bevölkerung nehmen (Schenk 2007: 399). Eine Auseinandersetzung mit der medialen Thematisierungsfunktion ist deshalb sowohl im Bereich der kommunikationswissenschaftlichen Wirkungsforschung als auch der politischen Kommunikation bedeutsam.
Die vorliegende Arbeit hat es sich deshalb zum Ziel gesetzt, die Bedeutung journalistischer Wichtigkeitszuschreibungen als Einflussfaktor im Agenda Setting-Prozess zu untersuchen. Sie geht dabei konkret der Frage nach, ob journalistische Wichtigkeitszuschreibungen bei der Beurteilung der Wichtigkeit eines Themas durch das Publikum eine Rolle spielen. Mit Hilfe eines Forced-Exposure-Experiments soll dazu überprüft werden, ob journalistische Wichtigkeitszuschreibungen First-Level-Agenda Setting-Prozesse stimulieren können.