Das Superwahljahr 2024 ist in Sachsen durch unschöne Vorfälle beim Plakatieren in die Schlagzeilen gerückt. Doch auch der Wahlkampf in der digitalen Öffentlichkeit steht in diesem Jahr vor großen Herausforderungen. Mehr als deutlich wurde das bei der jüngsten IfK-Veranstaltung im Sparkassen-Forum am Altmarkt. Unter dem Titel „Wahlkampf in der digitalisierten Öffentlichkeit“ hatten IfK und Förderverein zwei unterschiedliche Perspektiven auf das Superwahljahr 2024 zusammengebracht: Annette Binninger, Politikchefin der Sächsischen Zeitung und Teil der Chefredaktion, und Dr. Jörg Haßler, Kommunikationswissenschaftler von der LMU München, der das Projekt Digital Democratic Mobilization (DigiDeMo) leitet.
„Regieren in Sachsen ist nicht einfach – politische Berichterstattung auch nicht.“ Das machte Annette Binninger gleich zu Beginn ihres Impulsvortrags klar. Ein Grund sind auch für Journalist:innen die körperlichen Gefahren, die mittlerweile mit ihrer Arbeit verbunden sind. „Das Umfeld ist seit Jahren vergiftet“, so Binninger. Aber auch im digitalen Raum sieht sie viele Schwierigkeiten. Sie zählte auf: Die Flut an Desinformationen, deren Richtigstellung viel Zeit beanspruche. Die Vermischung von Nachricht und Meinung bei vielen Medien, die auf Kosten der Glaubwürdigkeit des Journalismus insgesamt gehe. Die dauerhafte Wahlkampf-Stimmung, das Hochjazzen jeder Banalität zur Nachricht. Und schließlich die vielen Informationsanbieter in der digitalen Öffentlichkeit, in der Journalist:innen vom Gatekeeper zum Gatewatcher geworden sind. „Wir müssen den Menschen jeden Tag aufs Neue klarmachen, was der Mehrwert unseres Journalismus ist“, sagte Binninger. „Das ist wahnsinnig schwer.“ Gerade junge Menschen erhalten Nachrichten heute nicht mehr aus SZ & Co., sondern auf Instagram und TikTok – im Zweifel also von der AfD.
Tatsächlich ist keine andere Partei so erfolgreich auf Social Media, konstatiert Jörg Haßler. In seinem Vortrag beleuchtete er die Social-Media-Strategien deutscher Parteien im Wahlkampf. Während die AfD oder ihr EU-Spitzenkandidat Matthias Krah mit jedem Video hunderttausende oder gar millionenfach Klicks erzielt, kommt etwa der Bundeskanzler nur auf wenige Tausend. Auch auf Facebook und, zumindest in Sachsen, auf Instagram, liegt die AfD vorn. Aber auch die anderen Parteien nutzen Social Media zunehmend als Wahlkampfinstrument und pushen nicht nur ihre Kandidaten, sondern auch „ihre“ Themen. Außer der AfD investieren alle Parteien zudem viel Geld in Social-Media-Werbung. Oft kommt dabei das sogenannte Microtargeting zum Einsatz, also das zielgerichtete Ausspielen von Werbung an User, die der Partei vermutlich besonders gewogen sind. Immerhin: Der europäische Datenschutz verhindert zumindest teilweise, dass Parteien ihre Kampagnen so konkret zuschneiden wie in den USA. Und deutsche Parteien – also auch die AfD – verbreiten kaum Falsch- und Fehlinformationen auf Social Media. „Hoffen wir, dass das so bleibt“, sagte Haßler.
Auch Annette Binninger hatte nicht nur düstere Ein- und Ausblicke mitgebracht. Sie zählte ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf, mit denen sich die Sächsische Zeitung im digitalen Raum behaupten will: User:innen-Orientierung, erfolgreiche Kanäle auf Instagram und TikTok, Stärkung der Lokalberichterstattung. Diese Maßnahmen erhielten dann auch besonders viel Aufmerksamkeit bei der anschließenden Fragerunde. Das Fazit des Abends: natürlich ist das Wahljahr 2024 herausfordernd und manchmal auch bedrohlich. Es bietet aber auch viele Chancen.